Beltane und was alles passieren kann.


Heute ist Beltane, eines der wichtigsten keltischen Feste. Und was passt besser als eine Geschichte, die dieses Thema hat. 

 

Für unseren Schreibkurs, der nun zu Ende ist, sollten wir eine Geschichte schreiben, in der ein Koffer eine Rolle spielt. Was wäre ich für eine Autorin, wenn ich nicht einen Koffer mit Beltane verknüpfen könnte? Hier also die letzte Geschichte zum Kurs... Viel Spaß... und passt auf euch auf. Geht nicht zu nah ans Feuer! 

 

Emilia und der geheimnisvolle Koffer

Warum ausgerechnet mussten sie heute in die Stadt? Obwohl, wenn sie es recht überlegte, es gab Schlimmeres. Draußen regnete es, so schon die ganzen letzten zwei Wochen. Ununterbrochen prasselte es von oben, fast so, als wolle Gott wieder die Arche rausholen. Wenn das so weiterging, kam Noah und rief zum Boarding. Viel fehlte nicht, dachte sich Emilia und schüttelte die hellroten Locken.

„Ihhhh, Emilia, muss das sein?“, schimpfte die Austauschschülerin aus London, deren Namen sie doch glatt vergessen hatte. „Sieh dir das nur an, meine Lederjacke hat nun Flecken und die gehen nie wieder raus.“ Böse funkelte sie Emilia an, die nur mit den Schultern zuckte.

„Warum ziehst du bei so einem Wetter auch solch eine empfindliche Jacke an? Eigentlich solltest du das doch aus London kennen. Bei euch regnet es auch ständig.“

„Vielleicht hört es ja endlich wieder auf. Das ist doch nicht normal, oder?“

Gemächlich schlenderten sie durch die untere Etage des Kaufhauses, in das die Londonerin unbedingt wollte. Gab es bei ihr keine Läden? London als Weltstadt war doch bestimmt viel aufregender als Frankfurt. Sie verstand es einfach nicht, aber gut, es war nicht ihre Idee gewesen, hierher zu kommen.

„Ich brauche noch eine neue Handtasche. Wir gehen dort entlang“, bestimmte die junge Frau und stöckelte, ohne auf Emilia zu warten, davon. Missmutig lief Emilia ihr nach. Sie braucht definitiv keine neue Tasche. Für solch modischen Schnick-Schnack hatte sie nichts übrig. Ihr reichte der alte Rucksack, der schon ihrer Mutter gehört hatte.

Plötzlich hörte sie ein leises Summen und sie drehte sich um die eigene Achse. Wo kam das her? Was war das? Aufmerksam schaute sie sich um, auf der Suche nach der Quelle dieses Geräusches.

Hinten, an den Regalen mit den riesigen Schrankkoffern, entdeckte sie einen jungen Mann, der ihr nun zulächelte. Er meinte bestimmt nicht sie, da war sie sich sicher. Wo war, wie hieß sie nochmal? Verdammt, sie konnte sich den Namen dieser Schnepfe nicht merken. Sie wusste nur, es war ein Name, den sie vorher noch nie gehört hatte.

Das Summen wurde immer eindringlicher, zog sie in seinen Bann. Ohne es zu wollen, steuerte sie auf den dunkelhaarigen Mann zu, der nun vor dem Regal mit den großen Schrankkoffern stand. Er drehte sich zu ihr um und winkte ihr zu.

„Hi“, sagte sie, als sie neben ihm stand. „Hörst du auch dieses Summen? Es klingt wie ein riesiger Schwarm Bienen.“

„Hallo Emilia. Ich freue mich, dass du zu mir gekommen bist.“ Er hielt ihr seine Hand hin, die sie ergriff. Eine warme und starke Hand, wie Emilia fand.

„Woher weißt du meinen Namen?“, wunderte sie sich. Er lächelte nur und deutete dann auf einen alten, abgenutzten Lederkoffer.

„Du willst verreisen, oder? Wie findest du ihn?“, fragte er. „Er ist zwar nicht mehr so schön, aber du solltest ihn dir anschauen. Hier, nimm ihn mal in die Hand.“

Interessiert betrachtete Emilia das eigentümliche Ding und um zu sehen, ob er schwer war, hob sie ihn am Griff an. Plötzlich wurde ihr schwindelig. Was war das? Es fühlte sich an, als würde ihr jemand den Boden unter den Füßen wegziehen. Panisch tastete sie um sich, doch das, was sie spürte, konnte nicht sein. Steine? Oder rauer Putz?

Es war dunkel um sie, doch weiter vorne bemerkte sie ein Licht, auf dass sie nun vorsichtig zulief. Eine Fackel brannte in einer Halterung an der Wand und beleuchtete die Umgebung.

„Hallo?“, rief sie leise. „Ist da jemand? Wo bin ich?“

„Du musst keine Angst haben“, erwiderte unvermittelt eine dunkle, tiefe Stimme hinter ihr. Ein Mann ging an ihr vorbei, zumindest nahm sie es an. Als er in den Lichtschein trat, quietsche Emilia auf. Sie kannte ihn. Es war der junge Mann aus dem Kaufhaus! Wie war das möglich?

„Was ist passiert? Wo sind wir hier? Wie bin ich hierhergekommen? Wie komme ich zurück? Und verdammt, wer bist du?“ Aufgebracht trat sie näher auf den Unbekannten zu. Sie hatte keine Angst, sie wollte nur Antworten.

„Verzeih, ich vergaß mich vorzustellen. Ich bin Merlin. Vielleicht kennst du die Geschichten, die man sich über mich erzählt, wobei das meiste davon nicht stimmt“, grinste er frech.

„Merlin? DER Merlin? Der aus der Arthus-Sage?“ Ungläubig blinzelte Emilia ihn an. „Und jetzt willst du mir sicherlich noch weißmachen, wir sind in Camelot, oder?“

„Eher darunter, um genau zu sein. Komm, lass uns nach oben gehen.“ Er nahm ihre Hand und zog sie hinter sich her. „Es ist ziemlich kalt hier unten. Wir sollten dir etwas passendes zum Anziehen besorgen, so fällst du auf.“ Lächelnd deutete er auf ihre Jeans, das graue Shirt und die Lederjacke. „In deiner Zeit ist das angemessen, aber nicht hier.“

„Moment mal. Wie ist das möglich? Ich kann nicht in Camelot sein. Das war, lass mich überlegen, irgendwann im 8. Jahrhundert.“ Sie entzog ihm ihre Hand und blieb stehen. „Ich gehe nicht weiter, bis du mir erklärt hast, was hier los ist.“

Genervt seufzte er auf. „Gut, wenn es denn sein muss. Du erinnerst dich an Morgana? Diese seltsame Frau, mit der du in dem Kaufhaus aufgetaucht bist? Sie gehört nicht in deine Zeit und du musst dafür sorgen, dass sie hierbleibt. Morgana stiftet nur Unheil, egal wo sie auftaucht. Aber damit ist nun ein für alle Mal Schluss.“

Wieder griff er nach ihrer Hand. „Lass uns nach oben gehen. Dann wirst du alles verstehen.“

Obwohl ihr das alles nicht in den Kopf wollte, spürte Emilia, dass Merlin sie nicht anlog. Er wollte wirklich ihre Hilfe, auch wenn sie nicht wusste, wie ausgerechnet sie ihm, dem großen Magier, helfen sollte.

Aus einer Kammer, die allem Anschein nach, einer edlen Dame gehörte, holte Merlin ein Kleid und hielt es ihr hin. „Hier, schlüpf hinein, es sollte dir passen. Und ja, ich drehe mich um“, lachte er.

Das Gewand aus weicher Baumwolle passt tatsächlich. Es war wie für sie gemacht.

„Fertig? Kann ich dich ansehen?“, fragte Merlin. „Tatsache, es passt. Jetzt los, wir kommen zu spät. Die Feier zu Arthus‘ Geburtstag ist bereits im vollen Gange. Wenn wir uns nicht beeilen, bekommen wir nichts mehr zu essen.“

Schnellen Schrittes liefen sie durch die vielen Gänge. Nie und nimmer würde sich Emilia hier allein zurechtfinden, befand sie.

Von Weitem klangen Trommelklänge und Flötenmelodien zu ihr. Wie Arthus wohl war? Vielleicht war er ein hässlicher, buckliger Mann, überlegte Emilia.

Merlin zog sie mit sich weiter in die große Halle hinein. Dann deutete er auf eine erhöhte Sitzreihe auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes. „Das ist Arthus, mein bester Freund. Und die Frau neben ihm kennst du ja.“

Das konnte nicht wahr sein! Das war tatsächlich die Austauschschülerin aus London. Sie glaubte zu träumen. „Und wie wollen wir sie daran hindern, in meine Zeit zu verschwinden? Wie soll das gehen? Du hast doch nicht noch einen Koffer, oder?“ Neugierig blinzelte sie zu ihm hoch.

„Nein, natürlich nicht, das funktioniert nur in deiner Zeit. So etwas wie Koffer gibt es hier noch nicht.“ Er beugte sich zu ihr. „Du weißt, dass heute Beltane ist? Alten Prophezeiungen zufolge stehen in dieser Nacht die Pforten zwischen den Zeiten offen. Am einfachsten kann man hindurchgelangen, wenn man über ein Feuer springt und genau das hat Morgana vor. Sie hat es mir selbst gesagt.“

„Welche Rolle spiele ich dabei? Was kann ich schon gegen solche Magie ausrichten?“ Unruhig tänzelte sie von einem Fuß auf den anderen.

„Laut der Weissagung kann der Zauber nur gebrochen werden, wenn eine Frau, die nicht aus unserer Zeit stammt, ein bestimmtes Wort sagt“, erklärte ihr Merlin. Er neigte sich näher zu ihr und flüsterte in ihr Ohr: „Das Wort lautet …“

„Merlin, mein alter Freund.“ Abrupt wurden sie unterbrochen und ein attraktiver Mann mit blonden Locken stand vor ihnen. Der goldene Reif auf seinem Kopf wies ihn als den König aus.

„Eure Majestät“, verbeugte sich Emilia hastig. „Es ist mir eine Ehre, hier sein zu dürfen.“

„Wen haben wir denn da?“, erkundigte sich Arthus.

„Das ist Lady Emilia aus Flandern. Sie ist gerade eingetroffen“, stellte Merlin sie vor.

„Willkommen auf Camelot. Kommt, wir wollen nach draußen gehen, die Feuer werden gleich entzündet.“ Arthus klatschte in die Hände und bat um Aufmerksamkeit. „Lass uns in den Hof gehen.“

Nun war es also soweit. Nun würde sich also zeigen, ob Merlin sie angelogen hatte oder ob sie alles nur träumte.

„Hallo Emilia“, raunte es plötzlich hinter ihr. „Ich hätte nicht gedacht, dass du auf Merlin hereinfällst. Er glaubt wirklich, er könne mich aufhalten.“ Morganas schrilles Lachen sorgte bei Emilia für eine Gänsehaut am ganzen Körper. „Dieser Dummkopf. Mich kann niemand aufhalten.“ Siegessicher stolzierte sie davon.

„Das wollen wir doch mal sehen“, murmelte Emilia und folgte ihr.

Im Hof brannte bereits ein großes Feuer, um das sich die Leute versammelt hatten. „Bist du bereit?“, wollte Merlin wissen, der nun wieder hinter sie getreten war. „Das Wort lautet…“ Er flüsterte es so leise, dass Emilia Mühe hatte es zu verstehen.

Aus dem Augenwinkel sah sie Morgana sich dem Feuer nähern. Sie grinste sie an und trat noch näher an das Feuer.

„Jetzt“, rief Merlin und als Morgana zum Sprung ansetzte, schrie Emilia „Hexenbesen“.

Das Gelächter, als Morgana plump auf den Boden fiel, dröhnte in ihren Ohren.

„Wir müssen weg. Schnell, Emilia.“ Hektisch zog Merlin sie wieder hinter sich her, in die Burg zurück.

„Waren wir erfolgreich? Oder kann Morgana es erneut versuchen? Wir sollten zurück gehen, um uns zu überzeugen, dass es nicht funktioniert“, keuchte Emilia und hielt dabei das lange Gewand hoch, das sich um ihre Beine wickelte.

„Hör mir zu, Emilia“, sagte Merlin mit fester Stimme und blieb stehen. „Wir verdanken dir viel, aber du musst zurück in deine Zeit. Hier kannst du nicht bleiben, das verstehst du doch, oder?“

Ja, sie verstand, aber sie hätte so gerne mehr von Camelot und seinen Bewohnern gesehen. Sie spürte, wie Tränen in ihre Augen drängten. „Sehen wir uns wieder? Irgendwann? Du bist doch der größte Magier aller Zeiten. Kannst du dir nicht etwas einfallen lassen?“

Merlin zog sie an sich. „Ich kann es nicht versprechen, aber wer weiß … die Sache mit der Zeit ist eine seltsame Angelegenheit.“ Sie standen vor einer Tür, auf der ein großes M zu sehen war. „Du musst durch diese Pforte gehen und dann bist du wieder in deiner Zeit. Es tut nicht weh, versprochen.“

Emilia legte die Hand auf die kalte Klinke und drehte sich noch einmal zu Merlin um. „Leb wohl. Es war schön, dich getroffen zu haben.“

Sie öffnete die Tür und ein unbändiger Wind traf ihr Gesicht. Verzweifelt kämpfte sie dagegen an und schaffte es schließlich, die Tür hinter sich zu schließen.

Unerwartet wurde es hell und sie musste die Augen schließen.

„Emilia? Was machst du hier?“, fragte sie plötzlich eine ihr bekannte Stimme. Vorsichtig öffnete sie die Augen und sah …. Merlin. Oder zumindest jemanden, der wie Merlin aus Camelot aussah.

„Wo bin ich? Ist das hier Camelot oder Frankfurt?“, fragte sie unsicher.

Der junge Mann lachte sie an. „Ich wusste nicht, dass es in Camelot auch schon Kaufhäuser gab. Wie es aussieht, bist du in der Umkleidekabine eingeschlafen. Was du allerdings mit meinem Koffer wolltest, weiß ich nicht.“ Er deutete neben sie.

 

Da war er, der geheimnisvolle, scheinbar uralte Lederkoffer. Das war sein Koffer? Irritiert schaute sie den Mann an, der ihr nun seine Hand hinhielt. „Ich sollte mich vorstellen. Ich heiße Tim, aber meine Freunde nennen mich Merlin.“

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